Dynamik in Umgangsverfahren und
Verfahren zur elterlichen Sorge
mit einem narzisstischen Elternteil
Eine Ehe oder eine Partnerschaft mit einem narzisstisch gestörten Menschen ist für den Partner/die Partnerin (zur besseren Lesbarkeit nachfolgend nur 'Partner' bzw. 'Ex-Partner')
und
die Familie in der Regel konfliktbelastet und zermürbend,
auch wenn das vom Partner manchmal lange nicht wahrgenommen oder verdrängt
wird. Kommt es zur Trennung, bekommen diese Schwierigkeiten häufig noch einmal
eine andere Qualität. „In Freundschaft“ oder wenigstens respektvoll
auseinandergehen ist so gut wie unmöglich. Es gibt auch keinen Grund
anzunehmen, dass eine konfliktreiche und ungesunde
Beziehung in der Trennung plötzlich vernünftig oder sogar harmonisch abläuft.
Im Gegenteil.
Besonders
heikel wird es, wenn aus der Verbindung Kinder hervorgegangen sind. In der
Regel werden gemeinsame Kinder vom narzisstisch Kranken instrumentalisiert, um
weiterhin Macht und Kontrolle über den Ex-Partner auszuüben und um in zu
schwächen oder sogar zu vernichten. In den meisten Fällen droht der
narzisstisch Kranke dem Partner häufig schon vor der Trennung, spätestens aber
im Verlauf der Trennung sinngemäß „Ich
mach’ dich fertig, ich nehme dir die Kinder“. Sobald die Trennung
tatsächlich vollzogen ist und der narzisstisch Kranke realisiert, dass der
Ex-Partner nicht mehr zur Verfügung steht, schlägt es nicht selten in Krieg um,
dem sich der Ex-Partner wegen der gemeinsamen Kinder nicht entziehen kann.
Der Narzisst startet einen kriegerischen Feldzug
Es
spielt dabei keine Rolle, von wem die Trennung vollzogen wurde. Selbst wenn der
narzisstisch Kranke sich getrennt hat, zum Beispiel um sich einem anderen
Partner zuzuwenden, gibt es einen Punkt, an dem er realisiert, dass der
Ex-Partner aus dem narzisstischen System ausgestiegen ist, ihm also nicht mehr
zur Verfügung steht, so wie er es aus früheren Zeiten gewohnt war. Das kann die
Forderung nach dem Schlüssel für die ehemals gemeinsame Wohnung sein. Das kann
die Unterhaltsklage sein, weil er unregelmäßig oder keinen Unterhalt zahlt.
Manchmal ist es einfach nur der Brief vom Jugendamt, an das sich der Ex-Partner
hilfesuchend gewandt hat, um ihn zu einem gemeinsamen Gespräch über die Kinder
einzuladen. Irgendetwas, wozu er ‚aufgefordert’ wird oder was dazu geeignet
ist, sein Selbstbild in Frage zu stellen, und sei es noch so
selbstverständlich, kann beim narzisstisch Kranken den Schalter umlegen - und
dann herrscht Krieg.
Der
Partner, der um die narzisstische Störung des anderen weiß – meist, weil es
bereits während der Partnerschaft psychische und nicht selten auch körperliche
Gewalt gab – ist sich in der Regel bewusst, dass er sich und die Kinder maximal
vor dem narzisstisch Kranken schützen muss, wenn es zur Trennung kommt. Häufig
dauert es deshalb viele Jahre, bis er den Mut findet, diesen Schritt zu gehen,
weil ihm klar ist oder zumindest weil er ahnt, dass er nach einer Trennung mit
aggressivem und unvorhersehbaren Verhalten des narzisstisch Kranken zu rechnen
hat.
Nicht
selten aber realisiert der Ex-Partner erst während der Trennungszeit – wenn es
überhaupt eine gibt – und manchmal auch erst längere Zeit nach der Trennung, zu
welchem drastischen Verhaltenswandel der
narzisstisch Kranke fähig ist, wenn ihm Kontrollverlust droht, weil der
Ex-Partner sich seinem Einfluss entzieht. Oftmals steht dieser fassungslos und
hilflos einem völlig veränderten Verhalten des narzisstisch Kranken gegenüber
und kann diese krasse Veränderung nicht einordnen. Oft fühlt er sich dafür
verantwortlich; mindestens will er einen Teil der Schuld für die Eskalation bei
sich selbst erkennen. Er empfindet es wie einen ‚Wandel um 180 Grad’.
Tatsächlich aber haben die Verhaltensweisen, die mit einer narzisstischen
Störung einhergehen, schon lange die Beziehung belastet, was – bei
entsprechender Beratung – in der Regel auch relativ schnell retrospektiv vom
Ex-Partner erkannt wird.
Diese
Irritation und das ‚Erwachen’ fallen in diesem Fall also genau in die sowieso
schon emotional belastete Zeit der Trennung. Bevor der Ex-Partner realisiert,
in welcher Situation er sich mit dem narzisstisch Kranken tatsächlich befinden,
sich fängt und sich dazu positionieren kann, um sich und die Kinder zu
schützen, dreht der narzisstisch Kranke nicht selten zu Bestform auf, wenn es
zu familienrechtlichen Verfahren kommt. Trennungskriminalität und verschiedene
Formen von Gewalt sind dabei die Regel. Hemmungsloses Lügen, massive
Verleumdung und falsche eidesstattliche Versicherungen sollen den Ausgang der
familienrechtlichen Verfahren direkt manipulieren. Psychische, körperliche und
finanzielle Gewalt bewirken, dass der Ex-Partner weiter geschwächt und
letztlich nicht selten psychisch anfällig wird, vor allem, wenn dieser Krieg
über die Kinder ausgetragen und über einen längeren Zeitraum geführt wird.
Diese psychische Destabilisierung wirkt indirekt auf die gerichtlichen
Verfahren.
Die Eltern sollen zum Wohle der Kinder kooperieren
Anstatt den Ex-Partner und die Kinder vor den zerstörerischen Machenschaften des narzisstisch Kranken zu schützen, erwartet das Familienrechtssystem, also Familiengericht und die weiteren Verfahrensbeteiligten, von Eltern - unabhängig von Vorgeschichte und Gegebenheiten - kooperative Elternschaft, häufig sogar bei Gewalthintergrund. Hinweise vom Ex-Partner auf das schädigende Verhalten und die umfangreichen Manipulationen des narzisstisch Kranken, auch unter sachlicher Benennung von belegbaren Fakten, konkreten Erlebnissen und qualifizierten Berichten Dritter, werden in der Regel vom Familienrechtssystem bestenfalls ignoriert. In den meisten Fällen aber kommt es sogar zu einer regelrechten Umkehrung in der Bewertung: Das ‚Opfer’ des narzisstischen Systems wird von Familiengericht und den Verfahrensbeteiligten zum ‚Täter’ erklärt, weil er durch seine (berechtigten) Vorwürfe gegenüber dem narzisstisch kranken Elternteil schnell als derjenige identifiziert wird, der eine kooperative Elternschaft verweigert. Nahezu jeder Versuch, sich vor den Angriffen des narzisstisch Kranken zu schützen, wird als Unfähigkeit bewertet, die Paarebene von der Elternebene zu trennen, was aber von den Fachkräften erwartet wird. Dem Ex-Partner wird vorgeworfen, durch seine (meist emotional vorgetragenen) Bedenken, Vorbehalte und Vorwürfe gegenüber dem narzisstischen Elternteil eine bindungsintolerante Haltung zu zeigen und damit per se das Kindeswohl zu beschädigen, ungeachtet aller Fakten, die zu dem distanzierten Verhältnis geführt haben.
„Zum Streiten gehören immer zwei“, diesen Satz hören viele Ex-Partner, die
sich hilfesuchend an die Fachkräfte der Jugendämter und Beratungsstellen
wenden. Eine solche Aussage ist nicht nur falsch und verhöhnt die ‚Opfer’ von
narzisstisch Kranken; sie trägt auch dazu bei, dass sich der Ex-Partner, der
sich gerade aus einer narzisstischen Beziehung - also einer Gewaltbeziehung -
befreit, wieder in sein altes Muster gedrängt wird, was nicht selten
traumatische Qualität hat: Er erfährt von den Beratungsstellen keine erhoffte
und dringend notwendige Unterstützung, sondern findet sich stattdessen in der
Rechtfertigungsposition wieder und erlebt wie bereits in der Beziehung, dass er
nicht wirkungsvoll agieren kann. Im Ergebnis wird der narzisstisch Kranke als kooperativ eingeschätzt, wohingegen der
Ex-Partner als derjenige benannt wird,
der boykottiert und damit das Kindeswohl beschädigt.
Die narzisstischen Strukturen werden nicht erkannt
Die narzisstischen Strukturen bleiben, oftmals trotz psychologischer Qualifikation der Fachkräfte, meist ungesehen oder, falls sie gesehen werden, unbeachtet bei der weiteren Bewertung der Situation. Nicht selten schafft es der narzisstisch Kranke, der über ein umfangreiches Repertoire an manipulativen Verhaltensweisen verfügt, die Verfahrensbeteiligten für sich zu gewinnen, die sich dann häufig schützend vor den narzisstisch Kranken stellen und - stellvertretend für ihn - den anderen Elternteil angreifen. Fachkräfte aus Psychologie, Soziologie und Pädagogik glauben, das Kind vor seiner eigenen Hauptbezugsperson schützen zu müssen, weil sie sich zum einen - oftmals in selbstüberschätzender Weise kraft ihres Amtes und kraft ihrer Ausbildung - generell als Experten für Kinder empfinden, egal ob sie einige Stunden, wenige Minuten oder gar nicht mit dem betroffenen Kind verbracht haben; zum anderen, weil sie das narzisstische System nicht durchschauen und nicht bemerken, dass der narzisstisch Kranke sie für seine Zwecke missbraucht und sie in den Stellvertreterkampf mit dem anderen Elternteil eintreten. Der tatsächliche Experte für das Kind, nämlich in der Regel die Hauptbezugsperson bzw. die Hauptbezugspersonen (zum Beispiel der neue Partner), wird bzw. werden dagegen nicht ernst genommen. Als Rechtfertigung dient den Verfahrensbeteiligten stets das Kindeswohl, und zwar in einer Definition, die nichts mit Kindeswohl zu tun hat, wie es der nicht narzisstische Elternteil – und vermutlich der Großteil der Gesellschaft - für sein Kind definiert.
Unüberwindbare Missstände im Familienrechtssystem
Neben häufig anzutreffender mangelnder Qualifikation oder fehlender persönlicher Reife der Verfahrensbeteiligten, kommen erschwerend strukturelle Missstände im Familienrechtssystem hinzu. Jugendämter sind zum Beispiel chronisch arbeitsüberlastet. Selbst wenn ein engagierter Jugendamtsmitarbeiter ahnt, dass hinter dem fürsorglichen Schein, den der narzisstisch Kranke zu wahren versucht, tatsächlich psychische Gewalt gegen Ex-Partner und Kinder steht, wird er kaum die Zeit investieren können, das narzisstische System weiter zu untersuchen, um einen qualifizierten Bericht für das Gericht erstellen zu können. Bei Verfahrensbeistand und Gutachter wirken ebenfalls strukturelle Missstände, mit denen der Ex-Partner konfrontiert ist: Beide, Beistand und Gutachter, werden vom Richter beauftragt und verfolgen somit ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen. Nicht selten wird ein Richter die Verfahrensbeteiligten beauftragen, mit denen er bereits ‚gute Erfahrungen’ gemacht hat. Hierin liegt generell die Gefahr, dass der Auftragnehmer, also Beistand oder Gutachter, die bekannte oder vermutete Position eines Richters vertritt, um auch weiterhin Aufträge von ihm zu erhalten, auch wenn sie nach seiner Fachmeinung nicht dem Kindeswohl dient. Umgekehrt wird ein Richter als Jurist, der sich auf die Aussagen der psychologisch geschulten Fachkräfte verlässt, kaum zu einer anderen Einschätzung kommen, als von den Fachprofessionen vorgetragen wird.
Reflexionsfähigkeit
im Familienrechtssystem ist nur insoweit gegeben, als der einzelne
Verfahrensbeteiligte dazu persönlich in der Lage ist. In der Regel aber steht
die Funktion vor dem Menschen, der diese Funktion ausfüllt, also das Gericht,
das Jugendamt oder der Verfahrensbeistand und schützt die einzelne Person bei
fachlicher Fehleinschätzung und bei persönlichem Fehlverhalten. Wirkungsvolle
rechtsstaatliche Beschwerdemöglichkeiten gibt es so gut wie nicht. Dienst- oder
Fachaufsichtsbeschwerden, Befangenheitsanträge oder Petitionen bleiben fast
immer erfolglos. Es tritt also keine Verbesserung der Situation ein, sondern
das Gegenteil ist meistens der Fall: Der beschuldigte Verfahrensbeteiligte wird
nach abgewiesenem Befangenheitsantrag - bewusst oder unbewusst - kaum mehr eine
neutrale Position gegenüber dem Petenten vertreten, was
wiederum zur Schwächung seiner Situation im Verfahren beiträgt.
Wie sollte sich die Hauptbezugsperson des Kindes
im Verfahrens verhalten?
Da jeder Verfahrensbeteiligte im Familienrechtssystem mehr Einfluss auf den Ausgang des familienrechtlichen Verfahrens hat als die Hauptbezugperson(en) des Kindes, deren berechtigtes Anliegen es ist, das Kind und sich vor dem narzisstisch Kranken zu schützen, ist es grundsätzlich nicht ratsam, gegen diese zu agieren, auch wenn sie in ihrer Einschätzung falsch liegen oder sogar erkennbar den narzisstisch Kranken unterstützen.
Der
weitaus erfolgreichere Weg ist es, aus strategischen
Gründen mit den Verfahrensbeteiligten zu kooperieren, um die bestmögliche Lösung unter den
Gegebenheiten zu erwirken. Dabei muss in Kauf genommen werden, dass
kaum die beste Lösung für Kind und Ex-Partner zu erreichen ist. Um die bestmögliche Lösung unter den Gegebenheiten
zu erreichen, sind folgende Schritte notwendig:
. Akzeptieren, was nicht änderbar ist
. Sich selbst stärken
. Strategisch positionieren
. Handlungsmöglichkeiten erweitern, zum Beispiel durch Kommunikationstechniken
Auf
keinen Fall ist es ratsam, unvorbereitet in Gespräche und in gerichtliche
Verfahren zu gehen, in gutem Glauben, dass es sich um versierte,
verantwortungsbewusste Fachkräfte handelt, die das narzisstische System
erkennen und den Ex-Partner und die Kinder vor dem narzisstisch Kranken
schützen werden. Je früher sich der Ex-Partner vorbereitet, um so eher können
Fehler vermieden werden, die aus falschen Vorstellungen über die Aufgaben und
die Wirksamkeit des Familienrechtssystems entstehen. Am besten noch vor der
Trennung.
20.02.2017
Dieser Aufsatz wurde u. a. als Gastbeitrag auf der Homepage Umgang mit Narzissten geteilt, siehe Linkliste.
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